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Essen für den Planeten – Die Sache mit den Milchprodukten
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Essen für den Planeten – Die Sache mit den Milchprodukten

Weil es nicht egal ist, was wir essen

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Dieser Artikel ist ein Teil unserer Reihe “Food for Future”, in der wir dich dazu einladen, gemeinsam mit uns herauszufinden, wie wir unser Ess- und Kaufverhalten selbst nur ein kleines bisschen ändern können, damit es uns und der Welt besser geht. Denn was können wir eigentlich noch essen, wenn alles ein Problem zu sein scheint? Mit informativen und unterhaltsamen Artikeln, konkreten Tipps für deinen Alltag und Rezepten, mit denen du direkt loslegen kannst, wollen wir dich zu ersten (oder auch zweiten) Schritten in Richtung nachhaltige Ernährung inspirieren. Hier findest du eine Übersicht über alle Themen.

Nachdem wir uns in den letzten zwei Wochen mit nachhaltigem Fleischkonsum und -alternativen beschäftigt haben, dreht sich diese Woche alles um Milchprodukte – und einige der heutige Zahlen werden dich vielleicht überraschen. Es geht mir aber gar nicht darum, dich davon zu überzeugen, nach dem Lesen dieses Artikels jegliche Milchprodukte vom Speiseplan zu streichen, sondern darum, einen Anstoß zu geben, dich mit den Produkten zu beschäftigen, die du täglich konsumierst.

Zwei persönliche Erfahrungen aus der letzten Zeit sind mir zu diesem Thema besonders in Erinnerung geblieben: Zum einen ein Artikel aus der Süddeutschen Zeitung über Milchkühe in Deutschland (online kann man ihn leider nur im Abo lesen) und zum anderen, dass mir eine Freundin erzählte, Butter sei schädlicher für die Umwelt als Rindfleisch. Üblicherweise ist Rindfleisch ja das erste Negativ-Beispiel, das einem beim Thema “nachhaltiger Ernährung” einfällt. Kann die Butter das noch toppen und wenn ja, warum spricht niemand darüber?

Die Deutschen lieben Milch

Bevor wir uns mit den ökologischen Effekten von Käse, Joghurt und Co. beschäftigen, müssen wir erst einmal zur “Quelle” all dieser Produkte: der Milch. Ich werde mich in diesem Artikel auf Kuhmilch fokussieren, da Produkte aus Ziegen- und Schafsmilch in Deutschland nur einen relativ kleinen Anteil der Ernährung einnehmen.

“Milch macht müde Männer munter”, “Milch macht stark”, “Die Milch macht’s” – ja, die Werbeindustrie hat sich einiges einfallen lassen, damit wir mit einem äußerst positiven Bild von Milch aufwachsen. Wenn sie so gesund ist, kann sie ja nicht schlecht sein, oder?

Die Milchindustrie selbst gibt folgende Zahlen heraus:

« 2019 konsumierten die Deutschen pro Kopf durchschnittlich 49,5 kg Konsummilch, 25,1 kg Käse, 15,1 kg Joghurt und 5,8 kg Butter. »

Quelle: milchindustrie.de

Betrachtet man ganz Europa ist Deutschland der mit Abstand größte Erzeuger von Kuhmilch. 32.491 Tonnen Milch wurden 2018 an Molkereien geliefert. Auf den Rängen zwei und drei landen Frankreich mit 24.589 Tonnen und Großbritannien mit 15.188 Tonnen.

Das sorgt natürlich dafür, dass eine ganze Industrie eine beachtliche Leistung erbringen muss, um der hohen Nachfrage gerecht zu werden. Und für diese Leistung verantwortlich ist vor allem das Tier, ohne das nichts geht: die Milchkuh.

Die Milchkuh als Marathonläuferin

Noch in den 50er Jahren gab eine Milchkuh in Deutschland 2.500 Liter Milch pro Jahr. 2018 waren es bereits über 8.000 Liter, besondere Hochleistungsrassen kommen sogar auf bis zu 19.000 Liter. Holger Martens, Professor an der Freien Universität Berlin im Fachbereich Veterinärmedizin, überträgt diese Leistung auf den Menschen und kommt dabei zu dem Schluss, dass ein Mensch dreimal am Tag einen Marathon laufen müsste, um die gleiche Leistung zu erzielen.

Ganz abgesehen von den Auswirkungen, die dieser Leistungsdruck auf die Gesundheit einer Kuh hat, bleibt es aber auch nicht folgenlos für die Umwelt. Eine Kuh trinkt reichlich Wasser und frisst eine beträchtliche Menge Futter. Letzteres muss angebaut angebaut, benötigt Land und Wasser — nicht selten werden dabei Böden belastet. Große Mengen an Futtermittel werden außerdem importiert, dazu kommt der Energieverbrauch rund um den Stall, sowie Transport, Lagerung oder Verarbeitung der Produkte. Dazu stoßen Kühe bei der Verdauung Methangas aus, das klimaschädlicher als CO2 ist.

Quelle: Poore & Nemecek “Reducing food’s environmental impacts through producers and consumers” (2018), Science

Doch die gesundheitlichen Faktoren der Milch könnten all dem ja ein positives Gegengewicht verleihen, oder? Mittlerweile ist das durchaus umstritten und ich möchte hier gern beide Seiten erwähnen.

Milch enthält viel Calcium (wichtig für unsere Knochen) und Eiweiß (wichtig für den Muskelaufbau und -erhalt), sowie Vitamin B2 und B12, Zink und Jod. Milchsäurebakterien, die vor allem in Milchprodukten wie Joghurt stecken, sind außerdem gut für die Gesundheit des Darms.

Doch nicht erst seit Menschen über Laktoseintoleranz klagen, gibt es auch kritische Stimmen. Erst durch Veränderungen im Laufe der Evolution gelang es dem Mensch überhaupt, die Säugemilch einer anderen Art verdauen zu können – doch nicht jeder verträgt Milch, im speziellen den Milchzucker Laktose. Aktuelle Forschungen untersuchen außerdem den Zusammenhang zwischen Milchkonsum und Krebserkrankungen, einem erhöhten Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfälle, Entzündungen und beschleunigte Alterungsprozesse. Bisher lieferte jedoch keine Langzeitstudie einen Beweis dafür, so dass man aktuell davon ausgeht, dass Milch in üblichen Maßen keine gesundheitlichen Schäden verursacht (wenn man nicht laktoseintolerant ist).

Das Gegenargument dazu lautet jedoch: Die meisten Nährstoffe muss man nicht zwingend über Milchprodukte zu sich nehmen, denn sie kommen auch in anderen Lebensmitteln vor. Pflanzliche Milchalternativen können teilweise mit dem Eiweißgehalt der Milch mithalten, die meisten liegen aber unter den Werten der Milch. Viele pflanzliche Produkte müssen so mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert werden. Da man jedoch auf seine Ernährung im Ganzen achten sollte und schließlich mehr als Milchprodukte isst, gibt es auch keinen Zwang, dass eine Hafermilch 1:1 eine Kuhmilch ersetzen müsste.

Butter ist klimaschädlicher als Rindfleisch

Je weiter die Produktionskette geht, desto mehr Ressourcen werden auch verbraucht. Daher haben Milchprodukte wie Sahne und Käse eine schlechtere Klimabilanz als Milch an sich. Neben den Ressourcen für die Haltung der Tiere und die Herstellung der Milch kommt dann noch die Weiterverarbeitung dazu - z.B. Kühlketten, die Energie verbrauchen. Lebensmittel, für die besonders viel Milch benötigt wird (also solche mit hohem Fettgehalt), stehen in der Klimabilanz entsprechend noch schlechter dar.
Und das ist auch der Grund, warum Butter klimaschädlicher als Rindfleisch ist. Für die Produktion von 1 kg Butter benötigt man bis zu 25 Liter Milch. Während der CO2-Ausstoß für 1 kg Rindfleisch 13,3 kg beträgt, sind es für Butter ganze 23,8 kg. Nicht wenig, wenn man die Statistik der Milchindustrie wieder heranzieht, nach der die Deutschen pro Kopf durchschnittlich 5,8 kg Butter im Jahr essen.

Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit

Kann sich jeder pflanzliche Alternativen leisten?

Pflanzliche Alternativen für Milchprodukte gibt’s mittlerweile in fast jedem Supermarkt. Vor allem Milchalternativen sind bereits vielseitig vorhanden – von Soja und Reis bis zu Hafer und Mandel. Auch im Bereich Joghurt gibt es bereits viele Optionen, oft mit Soja, aber auch auf Lupinen-, Mandel-, Kokos- oder Cashewbasis. Zusätzlich tauchen immer öfter pflanzliche Sahne, Quark, Frischkäse, Schnitt-, Scheiben- und Reibekäse bis hin zu Camembert aus Cashewnüssen auf. Tendenz: steigend.

Schnell fällt jedoch auf, dass sie oft deutlich teurer sind und damit rein finanziell für viele Menschen nicht mal in Frage kommen. Ähnliches ist mir bei der Milchauswahl im Café aufgefallen. Dort zahlt man in der Regel einen Aufpreis für pflanzliche Alternativen — nicht unbedingt ein Anreiz für alle, die zwar Kuhmilch trinken, aber vielleicht auch mal eine pflanzliche Option testen würden.

Im Supermarkt bei mir um die Ecke finde ich folgende Preise:
1 Liter Kuhmilch (3,5 %): ca. 0,79€
1 Liter Hafermilch: ca. 1,99€

500 g Joghurt: ca 0,49€
500 g Soja-Joghurt: ca. 1,69€

200 g Frischkäse: ca. 0,89€
150 g pflanzlicher Frischkäse aus Mandeln: ca. 2,99€

Gründe dafür gibt es mehrere. Natürlich haben Produktionsketten, Verpackung, Transport etc. einen Einfluss. Dahinter stecken jedoch vor allem Subventionen, die dafür sorgen sollen, dass Milchprodukte so günstig wie möglich verkauft werden können. Milch gilt in Deutschland als Grundnahrungsmittel und wird damit nur ermäßigt mit 7% besteuert. Pflanzliche Milch ist dabei nicht inbegriffen. Sie gilt nicht als Grundnahrungsmittel und wird somit mit 19% besteuert. Klimafreundliche neue Regelungen und Gesetze könnten daher durchaus helfen, den finanziellen Zugang zu pflanzliche Alternativen für mehr Menschen zu ermöglichen.

Pflanzliche Alternativen im Überblick

Obwohl pflanzliche Alternativen besser in der Klimabilanz als Kuhmilch abschneiden, gibt es auch unter ihnen einige Punkte zu beachten. Ich konzentriere mich im Folgenden auf die ökologischen Punkte, da aus geschmacklichen oder nährstoff-basierten Gründen jeder sein eigenes Urteil fällen muss.

Soja: Soja steht schnell unter Verdacht, den Regenwald zu zerstören. Es stimmt zwar, dass eine große Menge Soja nach Europa importiert wird und dass für den Soja-Anbau Regenwaldfläche gerodet und Böden und Grundwasser belastet werden, doch diese Ernte landet hauptsächlich im Futtermittel für die Massentierhaltung. Genauere Zahlen dafür findest du in diesem Food-For-Future-Artikel. Soja für Tofu, Sojamilch und weitere Produkte stammen vor allem aus Kanada und Europa (unter Umständen schlagen hier also trotzdem lange Transportwege zu Buche). Um dir also sicher zu gehen, dass du Sojaprodukte aus europäischem Anbau konsumierst, schau am besten auf die jeweiligen Packungen oder frage beim Hersteller nach.

Reis: In vielen Ländern ist der Reisanbau mit schädlichen Treibhausgasen, Pestiziden und schlechten Arbeitsbedingungen verbunden. Beim nassen Anbau von Reis wird außerdem Methan durch Fäulnisprozesse freigesetzt, beim trockenen Anbau ist es Lachgas. Beide sind noch schädlicher als CO2 für die Umwelt. Hier sollte man also noch mehr als sonst auf Bioprodukte achten, die in Europa angebaut werden.

Mandel: Ca. 80% der weltweiten Mandelernte kommt aus Kalifornien, einem sowieso schon trockenen Anbaugebiet. Dort verbrauchen sie äußerst viel Wasser und haben einen weiten Transportweg bis zu uns. Doch damit nicht genug – ein weiterer bedenklicher Fakt ist die Bestäubung der Mandelbäume durch riesige Bienenvölker. Ca. 1.5 Millionen Bienenstöcke werden dafür jedes Jahr kilometerweit transportiert und sind auf den Plantagen u.a. Pflanzenschutzmitteln ausgesetzt – der Vorgang gilt als Mitverursacher fürs Bienensterben. Achte daher auf bio-zertifizierte Mandelmilch aus europäischem Anbau, wenn du kannst.

Hafer: Viele Haferprodukte stammen aus heimischem Anbau – deutsche Firmen verwenden also in der Regel in Deutschland angebauten Hafer. Der Anbau geschieht meistens mit Biostandards – ein Blick auf die Packung oder eine Nachfrage beim jeweiligen Hersteller können das final klären. Damit ist Hafermilch unter den hier vorgestellten Alternativen aus Umweltaspekten eine der besten Optionen.

Ich führe die Auswahl an diesem Punkt nicht weiter, doch es gibt noch zahlreiche Alternativen z.B. aus Lupinen, Hanf, Cashewnüssen oder Erbsen. Die Industrie ist experimentierfreudig – und du kannst es auch sein. Sei offen für neue Produkte, aber beschäftige dich mit ihnen und hinterfrage, wie und wo werden sie hergestellt werden. Greife zu regionalen Produkten, wenn es dir möglich ist.

Was tun im Alltag?

Musst du nun alle Milchprodukte vom Speiseplan streichen? Wenn du das nicht möchtest, lautet die Antwort: nein. In unserem Themenmonat “Food for Future” geht es um die kleinen Schritte, die jede*r im Rahmen der eigenen Möglichkeiten gehen kann. Wir haben gesehen, dass es einen finanziellen Unterschied bei Milchalternativen gibt – allein das macht es unmöglich, jedem Menschen den Zugang zu ihnen zu ermöglichen.

Betrachten wir die Zahlen, tust du der Umwelt einen großen Gefallen, wenn du komplett auf Milchprodukte verzichtest. Du tust ihr aber auch schon einen Gefallen, wenn du deinen aktuellen Konsum hinterfragst. Willst du dir auf keinen Fall die Butter vom Brot nehmen lassen, findest Hafermilch aber ganz lecker, starte doch einfach mit diesem Schritt. Schon darauf zu achten, deinen Joghurt nicht wegzuwerfen, nur weil er das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht hat, bringt uns ein kleines Stück weiter.

Falls du nun Inspiration für die ersten konkreten Schritte beim Kochen brauchst, helfen dir diese Rezepte, die ganz ohne Milchprodukte auskommen:

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Kamut-Grießbrei mit Sommerbeeren

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Verfasst am 15. Juni 2020

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