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Warum arbeiten in Profiküchen so wenig Frauen?
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Warum arbeiten in Profiküchen so wenig Frauen?

Ein Blick hinter die Geschlechter-Kulissen der Lebensmittelindustrie

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Alexandra

Alexandra

Kontributor

Jeden Monat nehmen wir bei Kitchen Stories einen Essens-Mythos genau unter die Lupe, um herauszufinden, was daran wahr oder falsch ist. Hast du auch ein Thema rund um Essen, das dir nicht mehr aus dem Kopf geht und dessen Geheimnis wir für dich lüften sollen? Dann schreib uns einen Kommentar unter diesem Artikel!

Wenn du an deine kulinarischen Vorbilder denkst, zum Beispiel an Starköche, Restaurantchefs, Fernsehpersönlichkeiten oder Redakteure von Food-Magazinen: Wie viele Frauen siehst du gerade vor dir? Vermutlich sind die meisten davon Männer, aber warum ist das so? Sind Frauen weniger an einer Karriere als professionelle Köchinnen interessiert oder ist die Lebensmittelindustrie systematisch viel härter zu Frauen, die sich versuchen in der Branche durchzusetzen?

Viele Frauen leisten gerade bewundernswerte, kreative Arbeiten in und rund um die Küche – von unseren eigenen Kitchen-Stories-Gründerinnen Verena Hubertz und Mengting Gao bis hin zu Anne-Sophie Pic und Elena Arzak, die je drei Michelin-Sterne für ihre Restaurants erhalten haben, oder Maria Rose Belding, die Hungersnöte beenden möchte, indem sie Lebensmittelspenden mit Initiativen und Vereinen wie der Tafel zusammenbringt.

In der heutigen Zeit engagieren sich Frauen stärken denn je für eine Revolution innerhalb der Branche, um sich selbst und anderen Frauen bessere Möglichkeiten und sichere Arbeitsbedingungen zu schaffen.

Die Liste an weiblichen Vorbildern ist lang

In der Tat gibt eine schier unendliche Reihe an weiblichen Vorbildern, zu denen Frauen aufschauen können. Da wären beispielsweise Chefköchinnen wie Dominique Crenn, Alice Waters, Christina Tosi, April Bloomfield, Gabrielle Hamilton und Margot Henderson. Ruth Reichl, Nigella Lawson, Samin Nosrat und Claudia Roden sind ausgezeichnete Redakteurinnen und Kochbuchautorinnen. Und es gibt natürlich unvergessliche, einflussreiche Frauen der Branche wie Julia Child, MFK Fisher und Elizabeth David. Sie alle sind Preisträgerinnen des “James Beard Awards”, ausgezeichnete Michelin-Sterneköchinnen, leiten ihre eigenen Küchen und haben alle ihre eigenen Geschichten zu erzählen.

Trotzdem sind Frauen deutlich unterrepräsentiert, wenn es um Führungspositionen, Auszeichnungen und die generelle Medienberichterstattung geht. In Deutschland ist Douce Steiner die einzige Frau unter den KöchInnen, deren Restaurant mit zwei oder drei Sternen ausgezeichnet wurde. Ihr gegenüber stehen aktuell 51 männliche 2- oder 3-Sterne-Köche.

Sie war ebenfalls die einzige Frau, die man in der Liste der 50 besten Köche Deutschlands vom Gastronomie-Fachmagazin Rolling Pin finden konnte. Als es daraufhin Kritik auf deren Social-Media-Plattformen hagelte, sperrte das Magazin NutzerInnen, löschte deren Kommentare und rechtfertigte sich später dafür, dass die Profiküche eben eine Männerdomäne wäre.

Was sich in professionellen Küchen ändern muss

Leider werden Frauen noch immer in allen Branchen der Arbeitswelt benachteiligt – in der Gastronomie scheint die Lage aber besonders schlimm zu sein. Einige männliche Köche äußern sich sogar öffentlich und hinterfragen, ob Frauen überhaupt in Profiküchen arbeiten können, während andere Kollegen geradezu schädigende bis kriminelle Arbeitsumgebungen schaffen oder fördern.

In einem kanadischen Restaurant reichte eine Köchin eine Beschwerde wegen sexueller Belästigung beim “Ontario Human Rights Tribunal” ein und berichtete, dass ihre Chefs sie vor ihren Kollegen sowohl psychisch als auch körperlich belästigten und erniedrigten. Als sie ihre Vorgesetzten um Hilfe und Unterstützung bat, wurde sie dafür schikaniert, sich überhaupt geäußert und beschwert zu haben.

Leider ist das kein Einzelfall. Das “Restaurant Opportunities Center United” ist ein amerikanischer gemeinnütziger Verein, der sich für die Rechte von Restaurant-AngestelltInnen einsetzt. Er veröffentlichte einen Bericht darüber, dass 90 % der Mitarbeiterinnen bereits sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz erleiden mussten, sowohl von Kunden als auch Kollegen. Daraufhin bekannten sich viele Frauen in der Branche öffentlich ­– von Chefköchinnen über Kellnerinnen bis hin zu Barkeeperinnen und Hostessen. Sie alle hatten ähnliche Geschichten zu erzählen.

Was aber führte zu dieser schrecklichen Realität? Wie viele von überwiegend Männern betriebenen Arbeitsfelder, sind auch die Bedingungen in der Küche schnelllebig, hitzig und sehr stressig. Es herrschen klare hierarchische Strukturen, die jedoch oft nicht kontrolliert werden und dadurch für eine Umgebung sorgen, die für die Belästigung beider Geschlechter, Mobbing und sogar körperliche Bestrafung verschrien ist.

Natürlich hängt es immer auch von den Gastronomen und Köchen selbst ab. Sie entscheiden, ob sie lieber einen positiven und respektvollen Umgang fördern wollen oder dazu geneigt sind, Missbrauch zu ignorieren oder sogar zu unterstützen und den Erfolgsdruck der Branche als Entschuldigung aufzuführen.

Die Zukunft der Frauen in der Gastronomie

Es ist ein hoffnungsvoller Schritt zur Besserung, wenn man sich prominente männliche Köche wie René Redzepi vom dänischen Restaurant Noma anschaut, der sich klar gegen Machismus und Sexismus in der Küche positioniert und sich für sichere Arbeitsbedingungen einsetzt. Immer mehr Frauen schaffen den Sprung in Führungspositionen und leiten ihre eigenen Restaurants und Unternehmen, wodurch ihr Anteil in der Branche steigt. Sie arbeiten sowohl einzeln als auch im Kollektiv daran, eine neue Kultur in der Gastronomie zu etablieren.

Auch abseits der Küche zeigt sich immer mehr Engagement. Von Konferenzen, die ausschließlich von Frauen geführt werden und die das Thema der sicheren und integrativen Arbeitsplätze aufgreifen bis zu Foren, in denen die weibliche Sicht auf die Gastronomie im Zentrum steht. Es gibt gemeinnützige Organisationen, an die sich weibliche Angestellte der Lebensmittelindustrie bei Problemen wenden können – und natürlich eine neue Generation an talentierten Köchinnen, Redakteurinnen und Aktivistinnen. Es scheint fast so, als wäre die Zukunft tatsächlich weiblich.

Verfasst am 27. Mai 2018

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